Einbahnstraße Akademisierungswahn

Ein Plädoyer für die gewerbliche Ausbildung

 

Einer der führenden Akademiker, Philosophen und Vordenker Deutschlands kämpft ausgerechnet für mehr Anerkennung der gewerblichen Ausbildung: Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, ehemaliger Kulturstaatsminister hielt ein vielbeachtetes Impulsreferat auf dem Zukunftsforum Schreiner 2017. Mit eindrucksvollen und überzeugenden Worten kritisierte Nida-Rümelin offen und vehement die engstirnige Bildungspolitik, die in der Bundesrepublik vorherrscht. In politischen Kreisen, aber inzwischen auch in weiten Teilen der Bevölkerung, hätten sich zum Leidwesen aller einige falsche, kaum hinterfragte Ansichten etabliert, die allein die akademische Ausbildung als tragfähiges Zukunftsmodell für die jungen Menschen sehen.

Gewerbliche Fachkräfte unverzichtbar

Für die Gesellschaft wie auch die Wirtschaft unseres Landes sei es essenziell, dass die große Mehrheit an jungen Leuten in Zukunft eben nicht an die Universitäten drängt, sondern eine Ausbildung, beispielsweise im Handwerk, anstrebt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass dies in vielen Fällen für die ganz persönliche berufliche Entwicklung ohnehin der deutlich geeignetere Weg sei. In Deutschland befinden sich mit einer Akademikerquote von gut 18 % überraschend wenig „Studierte“ auf unserem Arbeitsmarkt. Dies ist keineswegs ein schlechtes Merkmal der deutschen Volkswirtschaft. Im Gegenteil, denn gerade in der betrieblichen, praktischen Ausbildung liegt die Zukunft des Mittelstands und dieser ist nachweislich das Rückgrat unserer verlässlichen und konstant wettbewerbsfähigen Wirtschaft im internationalen Vergleich.

Studium als Sackgasse

Nichtsdestotrotz wurden in den vergangenen Jahren intensive Bemühungen unternommen, mehr junge Leute an die Hochschule zu bekommen. Ab 2007 stieg die Zahl der Studienanfänger dramatisch an, von 37 % bis auf einen Anteil im Ausbildungsspektrum von knapp 60 %. Dabei erreicht nur etwa jeder Dritte davon am Ende einen Studienabschluss. In anderen Worten: Für zwei von drei Studenten erweist sich dieser Ausbildungszweig mit der Zeit als ungeeignet – viel vertane Zeit und hoher, zum Teil unnützer finanzieller Aufwand, den viele junge Menschen also in eine unpassende Ausbildung stecken.

Dabei werden sie so dringend gebraucht. Insbesondere in den Handwerksbetrieben bleiben viele Lehrstellen unbesetzt – attraktive Arbeitseinstiege mit großartigen Entwicklungschancen, unterstreicht Nida-Rümelin. Setzt man auf fundierte Prognosen und nicht auf unreflektierte Ländervergleiche, werden in den kommenden Jahrzehnten auf dem deutschen Arbeitsmarkt weiterhin konstant 60 % gewerblich ausgebildete Techniker und Meister benötigt, jedoch nur knapp über 20 % Akademiker. Darin liegt auch weiterhin das Erfolgsrezept der Wirtschaft unseres Landes. Es sind gerade auch die klein- und mittelständischen Betriebe, die einen großen Anteil an den jährlich angemeldeten Patenten in Deutschland beisteuern. Handwerklich-technisches Knowhow gehe eben zweifelsohne mit viel Kreativität und Unternehmergeist einher, betonte der Philosophieprofessor.


Argumente für Gesellen- und Meisterbrief

Drei schlagkräftige Argumente für eine Ausbildung als Karrierestart sind nicht von der Hand zu weisen:

  • Die beruflichen Perspektiven für qualifizierte, gewerbliche Fachkräfte sind deutlich besser als diejenigen für Akademiker. Denn die Quote der Studienanfänger hat sich den letzten Jahren auf dem hohen Niveau stabilisiert, während der Fachkräftemangel sich weiter verschärft.
  • Außerdem ist die Bezahlung im Handwerk deutlich besser als ihr Ruf. Verglichen mit Studienabsolventen verdienen Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Schnitt eben so viel. Hinzu kommt, dass sie früher ins Berufsleben einsteigen, schneller auf eigenen Beinen stehen und konkrete Berufsziele verfolgen können. So erhalten beispielsweise Schreinermeister in Positionen mit Führungsverantwortung, tariflich deutlich höhere Einkommen, als viele Akademiker drei Jahre nach ihrem Universitätsabschluss.
  • Zum anderen kommen die hohen Übernahmequoten in den Betrieben hinzu. Dank derer ist nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land unschlagbar niedrig. Für jeden Einzelnen bedeutet das gute Jobaussichten von Beginn an – während unter den Studenten je nach Fachrichtung häufig der Weg aus der Uni zunächst in Gelegenheitsjobs oder zum Arbeitsamt führt.

Detaillierte Informationen zur Ausbildung im Schreinerhandwerk finden Sie unter: https://www.schreiner.de/beruf-schreiner/ausbildung-schreiner/

Das Buch 'Der Akademisierungswahn: Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung' von Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin finden Sie im Schreiner-Shop.